Corona beschäftigt uns jetzt seit Jahren. Welche Auswirkungen haben die Maßnahmen der jüngsten Vergangenheit auf den Leistungssport? Welchen Zusammenhang gibt es zwischen sportlicher Aktivität und einem vermeintlichen Krankheitsverlauf?
Prof. Dr. Bernd Wolfarth, Präsident DGSP und Leiter des Instituts für Sportmedizin an der Charité in Berlin im Interview:
Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf den Leistungssport?
Prof. Dr. Bernd Wolfarth: Wir haben das jetzt in mannigfaltiger Art und Weise natürlich durchlebt im Leistungssport. Vielleicht das einscheindendste Erlebnis war die Verlegung der Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Uns hat‘s aber im deutschen Sport natürlich auch betroffen. Der Leistungssport hatte im März, April, Mai 2020 große Probleme damit, weil es einfach so eine Findungsphase war, weil Dinge eben dann plötzlich nicht mehr funktioniert haben. Es gab den Lockdown Ende März/Anfang April 2020 und danach mussten wir viele Sachen entwickeln. Wir haben z.B. über die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention, deren Präsident ich auch bin, diverse Leitfäden auch angeschoben. Unser Wissenschaftsrat war da sehr aktiv. Der Profisport hat sich dann gegen Mai 2020 langsam wieder konstituiert. Der Fußball ist da sicherlich etwas vorangeschritten und es wurden eben Konzepte entwickelt, die wieder sicheres Sporttreiben ermöglichten.
Spüren Sie das auch an Ihrem Institut?
Prof. Dr. Bernd Wolfarth: Wir haben allein in unserer Abteilung sicherlich mehrere tausend PCR Tests gemacht in Begleitung des Sports. Alles in allem glaube ich, ist der Leistungssport relativ gut durch die Krise durchgekommen.
Also ist die Pandemie gar nicht so schlimm für den Leistungssport?
Prof. Dr. Bernd Wolfarth: Was für uns aber ein sehr, sehr großes Problem im Sport darstellt, ist natürlich, dass der ganze Breitensport, dass der Vereinssport massiv darunter gelitten hat. Und das ist etwas, dass uns zum einen natürlich auch im Leistungssport auf die Füße fällt, weil einfach der Nachwuchs über eine gewisse Zeit wegbricht, weil Vereine über längere Zeit stillstehen, vielleicht auch dann manche Vereine sich auflösen oder hinterher nicht immer so richtig regenerieren können. Also das heißt, da haben wir für den Leistungssport sicherlich ein Nachwuchsproblem. Aber wir haben natürlich auch ein massives medizinisches Problem. Das heißt, wir sehen in vielen Bereichen, dass einfach pandemiebedingt viele Angebote, für die körperliche Aktivität z.B., deutlich reduziert wurden. Kinder und Jugendliche sind besonders anfällig dafür, sowohl von Seiten der Physis als auch von Seiten der Psyche. Wir wissen, dass insgesamt deutliche Gewichtszunahme in allen Altersbereichen als Folge der Pandemie aufgetreten sind. Wir haben über den Bewegungsmangel, die Bewegungsarmut natürlich auch die Sorge, dass da auch mittel- und langfristig Folgen auftreten, die wir vielleicht jetzt noch nicht abschätzen können, die uns aber in 5, 10 oder 20 Jahren dann medizinisch auch größere Probleme bereiten mit diesen ganzen bewegungsmangelabhängigen Erkrankungen, große Zivilisationserkrankungen, die dann vermehrt auftreten können: Angefangen von der Adipositas, über den Diabetes, bis zur arteriellen Hypertonie.
Begegnen Sie im Leistungssport Long COVID?
Prof. Dr. Bernd Wolfarth: Long COVID ist tatsächlich ein Problem. Wir haben natürlich auch im Sport viele COVID-19 Infektionen. Wir haben allein in unserer Abteilung zwischenzeitig sicher schon über 500 Post COVID Untersuchungen gemacht. Wir können grob sagen, dass das Klientel, was wir hier häufig sehen, also sprich eine leistungssportorientierte Klientel, dass die in aller Regel weniger Probleme mit der Erkrankung haben, weil wir eben wissen, dass die Fitten, die Jungen, die ohne Begleiterkrankungen natürlich wesentlich besser mit dieser Viruserkrankung umgehen, als jemand der älter ist, der Vorerkrankungen hat, der vielleicht Risikofaktoren hat, wie z.B. Adipositas, also einem sehr starken Übergewicht, oder anderen Problemen. Was wir in Einzelfällen tatsächlich sehen, auch bei den Jungen, sind prolongierte Infekte. Wenn es halt einfach mal nicht nach 10 bis 14 Tagen schon wieder vorbei ist, sondern dass dann jemand auch nach zwei, drei, vier Wochen noch Symptome hat. Das sind zum Teil eher etwas unproblematische Symptomkonstellationen, das z.B. der Geruchssinn oder Geschmackssinn etwas länger nicht zurückkommt. Es gibt aber natürlich Fälle, wo es dann zu einer vermehrten Müdigkeit kommt, wo es dann auch zu einem Fatigue-Syndrom, also zu einem chronischen Müdigkeitssyndrom, kommen kann und das ist dann letztendlich auch in Richtung Long COVID Ausprägung geht.
Also besteht hier tatsächlich ein Zusammenhang: Je mehr Sport ich treibe, desto weniger wahrscheinlich habe ich einen schweren Verlauf?
Prof. Dr. Bernd Wolfarth: Das kann man eindeutig so sagen. Also da ist die Datenlage eigentlich ziemlich klar. Wir sehen bei denen, die körperlich sehr aktiv sind und körperlich fit sind, die eben kaum Risikofaktorenprofil aufweisen die moderateren Verläufe und sehen sehr selten nur schwere Verläufe oder gar Langzeitverläufe.