Jedes Jahr erkranken in Deutschland rund 500.000 Menschen an Krebs. Pathologinnen und Pathologen tragen eine zentrale Verantwortung in der Diagnostik: Sie analysieren jährlich nahezu 40 Millionen Gewebeproben, meist auf Basis weniger, erfahrungsbasiert ausgewählter histologischer Schnitte.
Doch dieser traditionelle Prozess hat Grenzen – relevante Strukturen bleiben in den oft umfangreichen FFPE-Gewebeblöcken (Formalin-Fixed, Paraffin-Embedded) verborgen. Genau hier setzt das vom BMBF (13GW0571D) geförderte Forschungsprojekt HORUS an.
In unserem neuen Projektvideo geben wir Einblicke in:
Die Perspektiven der beteiligten Forscherinnen und Forscher
Den innovativen Bildgebungs- und Analyse-Workflow
Die Zukunft der KI-gestützten Krebsdiagnostik und virtuellen Histologie
Virtuelle Histologie mit Micro-CT: Wie HORUS die Krebsdiagnostik neu denkt
Was bedeutet „Virtuelle Histologie mit Micro-CT“?
Die virtuelle Histologie verfolgt das Ziel, Gewebeproben dreidimensional und zerstörungsfrei zu untersuchen, bevor sie mikroskopisch geschnitten werden. Kernstück ist dabei die Micro-CT-Bildgebung – eine hochauflösende Röntgentechnik, die mithilfe von Phasenkontrast und Absorptions-CT Strukturen von 10 µm feinen Kapillaren bis zu millimetergroßen Keimzentren sichtbar macht.
Im Zusammenspiel mit Künstlicher Intelligenz (KI) und Annotationstools können so kritische Bereiche wie Tumorränder, Blutgefäße oder Keimzentren präzise markiert und analysiert werden. Pathologielabore können dadurch gezielt den relevanten Teil eines Gewebeblocks identifizieren, bevor er unter dem Mikrotom weiterverarbeitet wird.
Warum ist das ein Durchbruch für die Pathologie?
Deutlich höhere Präzision:
Dank der Kombination aus virtueller Histologie und Micro-CT kann der Stichprobenfehler um das 1.000- bis 5.000-Fache reduziert werden.
Während aktuell Diagnosen oft auf nur wenigen 2-Mikrometer-Schnitten basieren, ermöglicht HORUS, das gesamte Tumorvolumen zu analysieren – von Zentimeter-großen Tumoren bis hin zu feinen 10–25 µm-Strukturen wie Kapillaren oder Drüsen.Schonende Diagnostik:
Der FFPE-Gewebeblock bleibt vollständig erhalten, sodass er weiterhin für molekulargenetische Analysen genutzt werden kann. Pathologinnen und Pathologen müssen nicht mehr entscheiden, welcher Teil der Probe geopfert wird.Effizientere Workflows:
Durch die 3D-Voransicht und die KI-gestützte Annotation lassen sich relevante Bereiche gezielt identifizieren, was die Arbeitszeit in Zukunft ohne Mehraufwand optimiert – ein entscheidender Vorteil angesichts des Mangels an Fachpathologinnen und -pathologen in Deutschland.Digitale Vernetzung:
Mithilfe der eingesetzten Software, wie der ImFusion Suite, können Micro-CT-Daten und klassische Histologie in einem digitalen Workflow zusammengeführt werden, der sich perspektivisch in bestehende Laborprozesse integrieren lässt.
Digitale Infrastruktur: Unser HORUS-Beitrag
Damit die virtuelle Histologie nicht nur technologisch funktioniert, sondern auch im klinischen Alltag ankommt, braucht es reibungslose Prozesse im Hintergrund.
Wir haben im Projekt HORUS unsere langjährig bewährte Workflow Engine eingebracht – mit der sich medizinische Abläufe vom digitalen Order Entry über KI-gestützte Kontextdaten bis zur strukturierten Befundrückmeldung zuverlässig abbilden lassen.
Eine Besonderheit: Die grafische Markierung der Entnahmestelle durch den Klinik-User – automatisch codiert und für Patholog:innen klar sichtbar.
Die Projektpartner von HORUS
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt HORUS (Förderkennzeichen 13GW0571D) bringt Forschung, Klinik und Industrie zusammen. Die Partner bündeln ihre Expertisen, um virtuelle Histologie mit Micro-CT in die Praxis zu bringen.
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
Fördert das Projekt im Rahmen der Medizintechnologie, um innovative diagnostische Verfahren zu unterstützen und deren Transfer in die klinische Anwendung zu ermöglichen.
Universitätsklinikum Düsseldorf – Institut für Pathologie
Bietet klinische Expertise und Patientenproben und testet die entwickelten Verfahren direkt in der Krebsdiagnostik, insbesondere im Bereich Tumorcharakterisierung und Gewebeanalyse.
Universitätsklinikum Freiburg – Institut für Pathologie
Arbeitet an der Integration der Micro-CT-Daten in den pathologischen Workflow und stellt sicher, dass die Methoden den klinischen Anforderungen entsprechen.
ImFusion GmbH
Entwickelt KI-gestützte Softwarelösungen zur Bildfusion, Segmentierung und Annotation, damit Pathologinnen und Pathologen Micro-CT und Histologie in einem digitalen Workflow kombinieren können.
Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, EMI
Treibt die technische Weiterentwicklung der Micro-CT-Bildgebung voran und optimiert die Präparation der Gewebeproben für die phasenkontrastbasierte Bildgebung.
DORNER Health IT Solutions
Unterstützt mit technologischer Expertise und Datenmanagement, damit die entwickelten Verfahren skalierbar und praxisnah umgesetzt werden können.
Fazit
Mit HORUS entsteht ein zukunftsweisender Ansatz für die Krebsdiagnostik:
Virtuelle Histologie mit Micro-CT und Künstliche Intelligenz ermöglichen es, mehr zu sehen, weniger zu zerstören und schneller zu diagnostizieren – und das bei maximaler Präzision.